Sofakissen und Seidenband

Nach langer Zeit mal wieder ein kurzer Projekt-Statusbericht 🙂 Ich habe in der vergangenen Woche ein paar Sachen fertig gestellt bzw. mal flott genäht. Und auch wenn die beiden Dinge grundverschieden sind, werden sie jetzt trotzdem in einem Beitrag zusammengefasst.

Einmal ist Mitte der Woche endlich das Seiden-Testband mit neuer Seide von Marled vom Rahmen gehüpft. Habe ca. seit Anfang-Mitte Januar daran gewebt – mit zahlreichen Unterbrechungen. Breite ist ca. 1,5 cm bei 25 Brettchen insgesamt.

Marledband2_lab

Band mit Diagonal- und Köpermustern
Diagonale und Köper: Seidentest für Marled

Hierbei habe ich Diagonaltechnik und Köper verbunden und eigene kleine Muster für den Köperpart entworfen. Die Muster sind wegen ihrer einfachen grafischen Form vermutlich nicht einzigartig, aber mir kam auf die Schnelle nichts für 19 Musterbrettchen unter, so dass ich selbst zu Bleistift und Karopapier griff. Das Diagonalenmuster ist ein verschmälertes Muster aus Babettes Editor.
Die Seide habe ich von Marled zum Testen erhalten und mein Fazit: Sie lässt sich sehr gut verarbeiten, glänzt schön, hat einen tollen weichen Griff. Einziges Problem waren kleine Knötchen, bei denen der Hersteller einfach neuen Faden angeknotet hatte und von denen einer aufging. Aber an sich ließen sich diese gut und unsichtbar einweben. Und: es handelte sich um ein Pröbchen.
Das Köpermuster gibts dann demnächst auf meiner neuen Webseite.

Bereits vor einer Woche hatte mich meine Nichte in Beschlag genommen und meine Nähmaschine kennengelernt. Sowas freut mich natürlich sehr, wenn ich mit dem Nachwuchs im Bereich Handarbeit was machen kann. Neben einigen einfachen Stichübungen, bei denen sie einen Stoffstreifen mit Zierstichen zu einem Lesezeichen verwandelte, nähten wir gemeinsam noch ein paar Herzen und Vögelchen, die sie dann mit Füllwatte ausstopfte. Am Samstag sollte es dann ein ganzes Tildatäschchen werden. Meine Nichte half beim Schnitt, bügeln, zuschneiden und füllen, ich nähte die teils fummeligen Teile zusammen (dickes Bügelvlies war nicht vorhanden und so musste ich improvisieren…). Und am Ende verzierte sie noch alles mit Muschelknöpfen aus der Knopfkiste. Und da die Maschine schon da stand und etliche Stoffe rumlagen, nutzte ich die Gelegenheit, mal fix zwei Sofakissenbezüge zu nähen. Das hatte ich schon ewig vor, denn die alten Bezüge waren entweder zerschlissen oder es fehlten Knöpfe. Leider reichten sowohl Stoff als auch Reißverschlüsse nur für 2 Bezüge. Der Stoff ist aus einer alten Ikea-Restekiste-Sammlung.

Sofakissen_Jan16_lab

Jetzt frag ich mich nur, warum ich so lange mit der Näherei gewartet habe. Kissenbezüge sind auch trotz Reißverschluss ganz einfach zu nähen. Und dennoch schreckt mich der Zipper noch ab.

Es geht auch in bunt!

„Aber bunte Schnurbindungen kann man nicht endlos aufziehen…“ AAAAAARRRGGGGHHHHH!!!!!!!

DOCH DAS KANN MAN. IMMER. EGAL WIE BUNT.

So. die Großbuchstaben mussten mal sein. Weil: Diese saublöde Aussage geistert durch die Internetforen und -gruppen und wenn diese mir dann wieder begegnet, werde ich wütend und würde am liebsten herausfinden, wer diesen Unsinn in die Welt gesetzt hat und ihn oder sie… aufklären (ob mit oder ohne Anschreien, weiß ich nicht).

Wahrscheinlich war es jemand, der weder das Buch „Zauber des Brettchenwebens“ von Otfried Staudigel besitzt (und die Kapitel zu den Schnurbindungen kennt) noch jemand, der sich wirklich mal dem Endloseinzug gewidmet hat. Wahrscheinlich hat derjenige/diejenige beim ersten bunten Muster einen bombastischen Fehler reingebaut und daraus geschlussfolgert: Geht nicht. Aber: in dem Fall saß das Problem AM Webrahmen.

Ob nun offener Webrahmen oder Schraubzwingen zum aufketten: Ein Endloseinzug ist zwar leicht nachzuvollziehen, aber braucht wie vieles in Handarbeit und Handwerk Routine in den Fingern. Als meinen ersten Endloseinzug hatte ich damals was zweifarbiges gewählt, weil ich im Anschluss nämlich Doubleface und Köper lernen wollte (und auch gelernt habe!). Ich habe für diesen ersten Aufzug fast so lange gebraucht wie für das Einzelbeziehen der Brettchen. Dabei noch beide Grundfehler gemacht: einmal in einer Runde 2 Brettchen fallengelassen und – vielleicht zum Ausgleich – bei einer anderen Runde vergessen, ein Brettchen fallen zu lassen.

Und sowas soll besser sein? Was sofort für den Endloseinzug sprach, war der fehlende Fadensalat der Kette, der beim Einzelbezug selbst bei allergrößter Sorgfalt mal auftauchte. Und den Fadensalat konnte ich am allerwenigsten leiden und so hatte für mich der Endloseinzug gewonnen. 2 Wochen nach meinem Erstversuch hatte ich die erste Kette abgewebt und wollte ein buntes Muster einziehen. Dank Staudigels Buch, das ich mir in der Zwischenzeit geleistet hatte, war mir klar, dass ich entsprechend umknoten musste für Farbwechsel. Ich wählte was mit drei Farben. Und zwar in einem Brettchen vorkommend. Und entdeckte dabei den dritten Grundfehler, der nur bei mindestens dreifarbigem Bezug eines Brettchens vorkommen kann: Ich vergaß die Klapp-Regel. Und zwar sah ich in meiner Patrone nur nach den Farben, aber nicht nach der Brettchenstellung, als ich die Farben neu anknotete. Und die muss beim Einzug beachtet werden wenn die Farben in bestimmter Weise verteilt sind. Wann dies zu beachten gilt, habe ich in der „Klapp-Regel“ zusammengefasst. Nicht klappbar sind Farbverteilungen 1-1-2-3 oder 1-1-3-2 oder 1-2-3-4. Daher muss bereits beim Einzug geschaut werden, ob das Brett S oder Z-Stelltung (bzw. -bezug) hat. Klappt man nämlich bei einen 1-1-2-3-Bezug, ändert sich der Bezug auf 1-1-3-2. Und klappt man einen 1-2-3-4-Bezug, wird daraus 4-3-2-1.
Trotz dreifarbigem Bezug klappbar ist nur die Farbverteilung 1-2-1-3.*

Tja, den Fehler merkte ich natürlich, nachdem ich angewebt hatte. Und ich saß natürlich auf einem Markt, fernab von Ruhe und Muße und wollte garantiert nicht den schönen Endloseinzug aufschneiden. Also machte ich das Beste daraus, frickelte ein anderes Muster zurecht und webte das Band ab (siehe Bild – oben sind die Zacken „zackiger“). Aber für mich war es kein Grund, daraus zu folgern, dass Schnurbindungen nicht in Endloseinzug gehen, sondern wusste, dass es an meiner Blödheit lag. Seitdem markiere ich, bevor ich loslege, jedes nicht-klappbare Brettchen in meiner Patrone.

Schaerfehler
Klapp-Regel nicht beachtet.

Also: nicht verzagen und falls mal ein bunter Endloseinzug in die Hose gegangen ist, nochmal probieren. Fehler hat jeder gemacht und sie sind in dem Fall dazu da, um zu lernen.

* Mit Ziffern statt Farben bleibt die Erklärung allgemeingültiger. Statt Ziffern könnt ihr auch im Kopf gerne Farben einsetzen, z.B. die vom zu webenden Muster.

Das „Birka“-Muster

Eines der beliebtesten Muster zum Brettchenweben nach dem Widderhorn ist wohl das sogenannte „Birka“-Muster. Auf der Grundlage des Fundes B23 aus Birka – im Original broschiert – entwickelte „Thora Sharptooth“ bereits in den 1990er Jahren ein Muster in der „Kivrim“-Technik (oder 3-1-Technik), wonach auch die meisten Weberinnen und Weber „ihr“ Birka-Band weben:
http://www.cs.vassar.edu/~capriest/birkarcp.html
Dabei werden normalerweise zwei Farben im Musterteil verwendet, ein Musterfaden und drei Hintergrundfäden.

Was Thora allerdings nicht mitliefert, ist die Information, dass dieses Muster verzwirnend ist. Das bedeutet: Die Fäden einiger Brettchen verdrehen sich während des fortschreitenden Webens so sehr, dass diese Verdrillung aufgelöst werden muss.

Die einfachste Variante ist, Thoras Anleitung rückwärts zu befolgen UND die Brettchen in die entgegengesetzte Richtung zu drehen. Eine einfache Spiegelung. Da dieses Thema immer wieder auftaucht, habe ich dazu die Lösung in gtt notiert und die Schritte nebeneinander gestellt:
Birkamuster_umdrehen

Einige Leute empfehlen auch, Anglerwirbel zum Aufdröseln in die Kette einzubringen. Warum diese für mich keine Option sind, werde ich demnächst mal erörtern. Nur soviel: Wirbel sind überflüssig, denn die Wendestellen fallen praktisch nicht auf und wenn man die Borte aufnähen möchte, könnte man dort z.B. das Band aufschneiden.

Hier mal ein Bild von einem meiner Birka-Bänder nach „Rezept“:

Birka-Band
Birka-Band, Seide Nm11, gewebt 2006

Na, Wendestelle gefunden? Viele hatte ich für das Bild damals in den Knicken versteckt, aber einige sind noch zu sehen. Da ich inzwischen fast 10 Jahre Abstand sowohl zu dem Werkstück als auch zu dem Foto habe (das Band besitze ich nicht mehr), musste ich selbst suchen.

Eine Sammlung eleganter Wendestellen durch das Einsetzen eines völlig anderen Musters gab es mal in Babettes Editor, der leider nicht mehr exisitert. Einige der nachgewebten Motive sind durch Suche im Netz bestimmt zu finden. Wer aber einmal die Technik verstanden hat, kann vielleicht selbst eine Wendestelle entwerfen.

 

Das Original

Doch wie bereits erwähnt, handelt es sich bei dem Muster um ein „Rezept“, welches das broschierte Original nachahmt. Das Band Birka 23 enthält dieses sogenannte „Flechtbandmotiv“ (englisch: Latticework) nebst anderer Motive. Auch dieses hatte ich mal nachgewebt – hier zugegebenermaßen noch relativ dilettantisch (war meine zweite Broschur überhaupt), aber in den gleichen Farben wie das „Rezept“-Band.

Broschiertes Birka-Band
Birka 23, Seide auf Seide Nm11, gewebt 2004

Doch Birka hat die Flechtbandmotive nicht für sich gepachtet. Bei Webereien aus dem Mittelalter tauchen immer wieder verflochtene Bänder auf, mal so wie bei dem Birka-Rezept, mal in Abwandlungen. Einige Beispiele – auch zum nachweben – präsentiert Nancy Spies in ihrem Buch „Ecclesiastical Pomp and Aristocratic Circumstance“. Ihr Nachgewebtes gibts hier im Bild: http://www.weavershand.com/gallery8.html

Schöne Flechtbandmotive bzw. Knotenmuster finden sich auf der sogenannten Kasel von St. Vitalis aus dem 11. Jahrhundert. Auch eine Mitra aus Salzburg aus dem 12./13. Jahrhundert (heute im Metropolitan Museum in New York) hat Stellen mit Knotenmustern. Die Liste lässt sich mit ein wenig Lektüre bei Spies und anderen Quellen noch erweitern, aber das würde den Rahmen hier sprengen. Vielleicht kriegt das mal einen Extra-Beitrag.

Varianten

Nicht nur von historischen Flechtbandmustern gibts Varianten – da verkreuzen sich oft mehrere Stränge, das Muster kriegt Ränder und wird vom Flächen- zum Knotenmuster etc.  – sondern auch das „Birka“-Rezept ist wandelbar. Vertauscht man dabei die Arbeitsschritte 2 und 4 (jeweils 2 Reihen), erhält man etwas, das wie „Panama“-Gewebe aussieht. Diese Variante hat Guntram verfeinert zu seinem „Shadow“-Weave: http://www.guntram.co.za/tabletweaving/gallery/gallery_threaded.htm#Birka

Hierbei zeigt sich, wieviel alleine der Einsatz einer weiteren Hintergrundfarbe (diagonal gegenüber vom Musterfaden eingezogen) am Erscheinungsbild des Bandes ändern kann. Diese kleine Besonderheit kann auch beim Originalrezept eingesetzt werden.

Shadow Weave
Shadow Weave nach Guntram, Leinen Nm10/2, gewebt 2004

Eine weitere Abwandlung, indem man dem Birka-Muster Ränder hinzufügt, gibts bei den Zöpfen von „The Loomy Bin“.

Zopfmuster
Zopfmuster von „The Loomy Bin“, Leinen NeL 16/2, gewebt 2011

Das Bild enthält übrigens auch eine Wendestelle 😉

Und nicht nur das zeigt die „The Loomy Bin“, sondern neben dem Birkarezept die Wandelbarkeit der 3-1-Muster.

 

Weihnachtsruhe oder Adventsstress?

Weder noch in diesem Jahr. Dennoch war es hier in den vergangenen Wochen etwas ruhiger. Das lag zum Einen daran, dass ich am Entwurf eines längeren Textes für weitere „Tipps zum Brettchenweben“ arbeite und dann auch so manche Stunde am Webrahmen oder beim Backen und Weihnachtskochen in der Küche verbrachte. Auch die Nähmaschine wurde wieder ausgepackt.

Ganz neu bespielt habe ich das neueste Webrahmen-Modell aus der Barden-Werkstatt meines Mannes (www.brettchenweber-shop.de). Der neue Barde XL ist etwas höher und somit auch bequemer vom Stuhl aus zu weben. Und er fasst über 10 Meter Kette! Für mich als bekennende Liebhaberin kurzer Ketten („lieber kurz und kompliziert als lang und langweilig“) eigentlich eine eher unwichtige Neuerung, aber die wachsende Größe brachte dies nunmal mit sich. Damit wir aber unseren Kunden sagen können, wie lang die Bänder sind, die sie darauf weben können, hab ich das Teil voll gemacht – und zwar bis zum Anschlag der verlängerten Spannschiene. Rund 10,50m Leinenkette werden zu Diagonalmustern verwebt. Die kann ich wenigstens zwischendrin verändern und dann wirds nicht so langweilig. Ich bin gespannt, wie lange das Band sein wird, das letztlich rauskommt. Denn nicht vergessen: Die Kette verkürzt sich durchs Weben und durch die Brettchen und Knoten bleibt immer ein kleiner Rest.

großer Webrahmen
XL-Barde mit Megakette

Noch webe ich ein Muster aus „Tablet Weaving“ von Snow, das aber auch in „Applesies und Fox Noses“ von Karisto/Pasanen drin ist. Aber nach inzwischen drei Metern wirds Zeit für Variationen. Die mag ich an den ruhigen Weihnachtstagen durchspielen und somit Platz schaffen für die nächste (Kurz-)kette.

UVO-Woche

Statt mal neue UVO’s zu produzieren, habe ich mal welche abgearbeitet. Gleich drei Bänder, die bereits länger in der UVO-Kiste bzw. auf dem Rahmen waren, sind nun fertig und stolze 137 Brettchen befreit.

Drei UVO-Bänder sind endlich fertig
Drei fertige Langzeitprojekte.

Und das sind sie:

Links ist das fertige Snartemo V-Band, ausgeführt in pflanzengefärbter Wolle Nm16/2. Begonnen hatte ich es als Auftrag und gleich ein wenig mehr Kette eingezogen, um mir auch einen Beispielabschnitt zu sichern. Dabei habe ich die Enden wie auch im Original mit Soumak gestaltet. Seit Fertigstellung des Auftrags im Frühling und einer kurzen Strecke im Rahmen einer Webvorführung im Juni hat das Band in der Kiste gelegen. Nu ists fertig. Für eines der Soumak-Stücke brauchte ich übrigens länger als für ein großes Motiv im Band.

Auch das mittlere Band ist der Rest einer Auftragskette mit pflanzengefärbter Seide von Marled. Nachdem der Broschierauftrag im Frühling an die Kundin ging, blieb mir noch ein Rest, um mich bei verschiedenen Broschiermaterialien auszutoben. Jüngstes Muster ist das sattgoldene mit meinem neuen Goldfaden (Motiv aus dem 15. Jahrhundert), etwas weiter oben ist eine Broschur, die ich bei einer Webvorführung gemacht hatte mit Goldfaden von Marled (Motiv aus dem 9. Jahrhundert). Im Rest der Kette sind noch Silber-, Gold- und Seidenfäden probiert worden.

Das rechte Band ist mit Motiven aus Otfried Staudigels Buch „Der Zauber des Brettchenwebens“, ausgeführt in Seide Nm 60/2 aus dem Handweavers‘ Studio. Das Band hatte ich im vergangenen Jahr zum Brettchenwebertreffen eingezogen, weil ich keine passende Kette für meinen kleinen Barden hatte. An dem Band hatte ich immer mal wieder ein Stückchen gewebt, u.a. beim Internationalen Museumstag auf dem Mühlenfest in Theley und auf der Gartenmesse in Bad Münster am Stein.

Bemerkenswert ist, dass die äußeren Bänder mit der gleichen Brettchenzahl, nämlich je 56 Brettchen gewebt wurden. Was Material so ausmacht…

Und nach dem UVO ist vor dem UVO: Was nehme ich nun als nächstes Langzeitprojekt?